zur Erinnerung

Mauerfall 09.11.1989 - und was dann?

Das Wirken der Treuhandanstalt in den neuen Bundesländern

Stand: 14. Dezember 2020, 12:42 Uhr

Nach der Wende begann die Arbeit der Treuhandanstalt. "Wenn pro Tag eine Firma verkauft wird, obwohl für jeden Verkauf drei Monate nötig sind, dann können eben Fehler unterlaufen", so der damalige Treuhandmitarbeiter Klaus Klamroth. Wie die Treuhandanstalt tatsächlich gearbeitet hat, zeigt sich an drei ausgewählten Beispielen.

Mit dem Auftrag gegründet, in möglichst kurzer Zeit die staatlichen Monopole der DDR abzuschaffen und Betriebe gesamtwirtschaftlich zu optimieren bzw. den Regularien der Marktwirtschaft anzupassen, stand die Treuhandanstalt vor der Aufgabe, die gesamte Wirtschaft dieser Region umzugestalten.

Privatisierung der Unternehmen

Als gelungenes Beispiel der Privatisierung fungiert der VEB Plastina Erfurt. An ihm lassen sich alle wesentlichen wirtschaftlichen Entwicklungen der 1990er- und frühen 2000er-Jahre nachvollziehen. 2000er-Jahre nachvollziehen.

Mo 14.09.2020 09:46Uhr 09:14 min

Bei Foron-Scharfenstein steht das konstruktive Zusammenwirken westdeutscher und ostdeutscher Interessen mit dem Ziel des Umweltschutzes im Mittelpunkt. An diesem Fall lässt sich die Flexibilität und gleichzeitig auch das problembehaftete Umfeld der Treuhand gut untersuchen. Mit der Schließung des Kaliwerkes Bischofferode wird das wohl umstrittenste und emotional äußerst aufgeladene Kapitel des Wirkens der Treuhand beleuchtet.

In Westdeutschland wäre es nicht möglich gewesen, den Leuten eine Veränderung dieses Ausmaßes zuzumuten. .... Wir brauchen in Deutschland eine breite gesellschaftliche Debatte über die Mühen der Einheit.
Birgit Breuel WELT, 21.07.2019

Die Gründung einer "Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums" wurde im März 1990 am "Runden Tisch" nach Forderungen von Oppositionsgruppen beschlossen. Die Hauptaufgabe dieser Institution sollte es ursprünglich sein, DDR-Bürger mittels Anteilsscheinen (Cupons) am Volkseigentum zu beteiligen.

Rechtliche Grundlade der Treuhandanstalt

Nach dem Beitritt der DDR zur BRD in "Treuhandanstalt" (THA) umbenannt, fand sie im Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ihre rechtliche Grundlage. Zu ihren wesentlichen Aufgaben gehörten die rasche Ausrichtung der DDR-Wirtschaft auf die Erfordernisse der Marktwirtschaft, die Abschaffung staatlicher Monopole, die Privatisierung staatlicher Betriebe und die freie Preisbildung. Von einer Coupon-Privatisierung war nicht mehr die Rede.

Privatisierung und kommunale Ãœbergabe

Das Ergebnis dieser Arbeit sah wie folgt aus. Von den rund 12.000 Betrieben wurden zwischen 6.500 bis 7.800 privatisiert bzw. in kommunale Hände übergeben. Die Zahl der "abgewickelten" bzw. in Liquidation geführten Betriebe wird mit rund 3.700 angegeben. Damit gingen in den "neuen Bundesländern" von den ehemals 4 Mio. Arbeitsplätzen mehr als 3 Mio. verloren.

In der "Treuhand" selbst arbeiteten am Ende gut 4.600 Mitarbeiter. Neben einer geringen Zahl ostdeutscher Angestellter waren es überwiegend junge und oft genug unerfahrene westdeutsche Betriebswirte sowie Manager der mittleren Führungsebene bundesdeutscher Unternehmen. Die mitgebrachten Wertmaßstäbe und Erfahrungen mit der Marktwirtschaft bestimmten maßgeblich deren Handeln. Bei ihrer Arbeit vor Ort sahen sie sich dann mit den konträren Erfahrungen der Ingenieure, Meister und Facharbeiter aus der planwirtschaftlich geprägten "Mangelwirtschaft" konfrontiert.

Konfliktgeladene Zusammenkunft

Konflikte waren vorprogrammiert. Respekt, Toleranz und Offenheit im Umgang miteinander waren auf beiden Seiten oft schwierig. Nicht zuletzt deshalb wurde die "Treuhand" innerhalb kürzester Zeit und lange über ihre eigentliche Existenz hinaus für viele Bürgerinnen und Bürger Ostdeutschlands zur unbeliebtesten Institution des neuen Staates.

Geldfresser "Treuhandanstalt"

Auch die Bundesregierung war nur bedingt mit den Ergebnissen der Arbeit der Treuhandanstalt zufrieden. Statt der in Aussicht gestellten 600 Mrd. DM Erlös aus den Verkäufen flossen nur gut 66 Mrd. DM in die Kassen des Finanzministeriums.

Die Ausgaben für die Behörde selbst waren fast doppelt so hoch. Die Ursachen dafür waren vielfältiger Natur. Vor allem der ostdeutschen Öffentlichkeit sind die so genannten "Buschzulagen" (Geldzahlungen für weite Wege/Trennungsgeld und mangelnden Komfort) für die Mitarbeiter aus den "alten Bundesländern" in Erinnerung geblieben.

Auch die unsittlich (weit über das gebräuchliche Maß hinaus) hohen Zahlungen an bundesdeutsche und internationale Beraterfirmen, die erst nach dem Einspruch des Bundesrechnungshofes eingeschränkt wurden, trugen zum Imageverlust bei.

Bundesanstalt zieht Notbremse

Die "Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben" (kurz BvS) übernahm ab 1995 die noch verbliebenen Aufgaben und ging 2008 in der "Bundesanstalt für Immobilienaufgaben" auf.

Die Treuhandanstalt stand während ihrer Existenz unter der Leitung von Detlev Karsten Rohwedder und Birgit Breuel. Rohwedder hatte bereits in den späten 1960er-Jahren als Staatssekretär die Wirtschaftsverhandlungen mit der DDR geführt.

Nach seiner Rückkehr in die "freie Wirtschaft" in den 1970er-und 1980er-Jahren erwarb er sich einen exzellenten Ruf als Sanierer von Großkonzernen und wurde deshalb zum Leiter der Anstalt berufen. Im Jahr 1991 fiel er einem Attentat zum Opfer, welches der RAF (Rote-Armee-Fraktion, linksterroristische Vereinigung) zugeordnet wird.

In der aktuellen Debatte zur Treuhand gilt dieser Mord als Wendepunkt im eigenständigen Wirken der Anstalt. Äußerst kontrovers wird darüber diskutiert, ob die Bunderegierung unter Helmut Kohl (CDU) mit der Prämisse "Rückgabe vor Privatisierung" ein eigenständiges Handeln der Nachfolgerin Rohwedders, Birgit Breuel, nicht nur erschwert, sondern nahezu unmöglich gemacht hat.

Birgit Breuel: Umstrittenner Aufstieg

Birgit Breuel, 1993 Birgit Breuel, 1993
Bildrechte: imago/Rainer Unkel

Birgit Breuel war über ihre Parteiarbeit in führende Positionen gekommen. Als Wirtschafts-, Verkehrs- und später als Finanzministerin des CDU-regierten Landes Niedersachsen konnte sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Nach ihrer zum Teil äußerst kritisch betrachteten Arbeit bei der "Treuhand", übernahm sie als Generalkommissarin Verantwortung für die erfolgreiche Durchführung der Expo 2000 in Hannover.

Danach zog sie sich weitgehend aus der Politik zurück und äußerte sich erst im Jahr 2019 wieder öffentlich zum Thema "Treuhand".

ERLÄUTERUNGEN ZUM FILMMATERIAL:
DER KÃœHLSCHRANKHERSTELLER FORON
Im Mittelpunkt der Dokumentation stehen drei der Akteure, welche Anfang der 1990er-Jahre maßgeblich an der Einführung der weltweit ersten FCKW/FKW-freien Kühlschränke mitgewirkt haben.

Die Situation des VEB (volkseigener Betrieb) DKK Scharfenstein nach der Wiedervereinigung war beispielhaft für viele Großbetriebe. Die Treuhand versuchte zuerst, Käufer aus branchengleichen oder ähnlichen Bereichen in den westlichen Bundesländern zu finden. Im Fall von DKK waren das die führenden Haushaltsgerätehrsteller Bosch, Siemens, Bauknecht, Liebherr, Miele, AEG und Electrolux. Der größte Teil der rund 5.000 Beschäftigten der Werke war bis Mitte 1990 bereits entlassen. Sinkende Absatzzahlen, veraltete Produktionsstätten und Produkte, weggebrochene Märkte führten zum Rückgang der Produktion. Bis 1993 arbeiteten nur noch gut 600 Menschen bei DKK Scharfenstein. Neueste Dokumente bestätigen, dass die Treuhand bereits Ende 1991 die Werke endgültig schließen wollte. Nachdem letzte Verhandlungen zwischen der Treuhand und Vertretern der Bosch-Siemens-Gruppe gescheitert waren, sollte der Betrieb aus dem Erzgebirge in "Liquidation" gehen.

Seit Mitte der 1980er-Jahre bestimmte die Ozon-Problematik zunehmend die öffentliche Diskussion. Die Akzeptanz von FCKW und FKW als Kühlmittel in Kühlschränken nahm bei weiten Teilen der Bevölkerung ab, weil FCKW die Ozon-Schicht in der Stratosphäre zerstören, also den natürlichen UV-Filter der Erde, was zur Zunahme von Sonnenbrand, Augenerkrankungen und Hautkrebs in der Bevölkerung führt. Der Begriff des "Ozonkillers" machte die Runde. Verantwortliche von Greenpeace sahen in der ums Überleben kämpfenden "Ost-Firma" DKK ihre Chance, ein neues Verfahren für FCKW-freie Kühlgeräte zu entwickeln und auch produzieren zu können. Sie boten die Summe von 26.000 DM für die Entwicklung eines völlig neuartigen Kühlmittels. Mit dem Geld von Greenpeace und dem Wissen und Können der DKK-Mitarbeiter gelang es 1992, zehn Prototypen der weltweit ersten FCKW/FKW-freien Kühlschränke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die zeitgleich angebotenen westdeutschen "Ökogeräte" stellten sich als getarnte "Ozonkiller" heraus. Doch für die breitenwirksame Einführung des FORON-Geräts fehlte den Sachsen das Know-how. Erneut unterstützte die Umweltorganisation den Betrieb. Sie organisierte eine sehr erfolgreiche Werbekampagne und sicherte dem Hersteller damit vorerst das wirtschaftliche Überleben. Im Jahr 1993 gingen die ersten FCKW/FKW-freien Kühlschränke unter dem neuen Namen FORON in die Serienfertigung.

Die Treuhand hatte mit allen Mitteln versucht, diese Entwicklung zu behindern. Sie wollte die Schließung der Firma durchsetzen. In einer "Pressekonferenz" (Minute 4:00-4:55) musste der zuständige Treuhand-Direktor Tränkner vor versammelter Presse dieses Vorhaben zurücknehmen. Zum Jahreswechsel 1992 auf 1993 wurde so aus dem Treuhandbetrieb "DKK" die "FORON GmbH". Der Produktion des "Greenfreeze" unter marktwirtschaftlichen Bedingungen stand nun nichts mehr im Weg. Die erfolgreiche deutsch-deutsche Zusammenarbeit erfuhr mit der Verleihung des Bundesumwelt-Preises 1993 auch eine staatliche Würdigung.

Ein DDR-Betrieb hatte es geschafft, in der Marktwirtschaft anzukommen und zu überleben. Doch die Freude währte, trotz hoher Auftragszahlen, nicht lang. Da es FORON nicht gelang die Patent-Rechte zu erwerben, sah sich der Betrieb sehr schnell der geballten Konkurrenz der etablierten Firmen ausgesetzt. Diese hatten übrigens bis zuletzt und mit allen Mitteln gegen die Neuentwicklung und gegen FORON gekämpft. Da es den Scharfensteinern in der Folgezeit nicht gelang, die dringend notwendigen Investitionsmittel zu beschaffen, mussten sie 1996 Insolvenz anmelden und verschwanden vollständig vom Markt. Einzig der Markenname FORON überlebte. Eine italienische Firma erwarb ihn und nutzt ihn bis heute.


Quelle:


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 18.06.2023 - 17:03